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Reiseberichte

 

Reisebericht von Andreas Kahlo aus der Leprastation in Kengtung, Myanmar

 

Vorausschicken möchte ich, dass ich keineswegs „vom Fach“ (Entwicklungshelfer, o.Ä.) bin, sondern nur einfach eine caritative Ader in mir spüre, die – gepaart mit einem Schuss Abenteuerlust – mich hin und wieder nach entsprechenden Projekten Ausschau halten lässt, bei denen ich mich engagieren kann.

 

Entstehung der Projektidee

Auf dieser Suche fand ich im September 2006 die Internetseite von Terra Humana und die Information, in Keng Tung gäbe es eine Lepra-Kolonie, in der 600 Menschen unter erbärmlichen Umständen lebten und dringend der Hilfe bedürfen. Aus Gründen, die mir damals durchaus unklar und rätselhaft erschienen, berührte mich diese knappe Information außerordentlich. Ich rief Stefan Spiecker, den Vorsitzenden von Terra Humana e.V., an und erfuhr, man habe noch keinen direkten Kontakt zu der Kolonie, er könne mir aber mit Informationen und Kontakten helfen, dieses Dorf zu finden. In der darauffolgenden Nacht hatte ich einen lebhaften Traum, in dem ein Lepra-Kranker mir seine verstümmelten Arme hilfesuchend entgegenstreckte und ich – nach anfänglichem entsetztem Zurückweichen – ihn umarmte, wodurch ein sehr glückliches Gefühl in mir aufstieg. Ich empfand diesen Traum als Aufforderung und buchte am nächsten Tag einen Flug nach Thailand.

 

Reiseverlauf

2 Wochen später war ich in Mae Sai, an der thailändisch-burmesischen Grenze, um Thomas Albrecht, von „hope for life“, einer Organisation, die in dieser Gegend seit Jahren hervorragende Arbeit mit Kindern leistet, zu treffen. Nach freundlichem Empfang, einer sehr informativen und professionellen Einführung in die Arbeit von „hope for life“ und versehen mit nützlichen Informationen über Myanmar, war ich am nächsten Tag auf meinem Weg nach Keng Tung. Ich hatte in Erfahrung gebracht, dass die Lepra-Kolonie weit außerhalb der Stadt lag und von einem Schwestern-Orden betreut wurde. Als ich das Dorf schließlich ausfindig gemacht hatte und mich mit dem Motorrad auf dem Weg zu ihm befand, beschlich mich allerdings die Angst, ich könnte dort nicht willkommen sein und abgewiesen werden. Schließlich wusste keiner von meinem Kommen und ich kannte dort niemanden. „We are so glad to see you. We prayed and waited for you since weeks”, waren die ersten Worte, mit denen mich eine alte Schwester herzlich willkommen hieß. Es stellte sich heraus, dass die Schwestern in ihrer Not vor wenigen Wochen begonnen hatten, zu beten, jemand möge kommen, um ihnen zu helfen. - Mein Traum als Gebets-Erhörung ? – Wie dem auch sei, es war jedenfalls ein Zusammentreffen, das die folgende Zusammenarbeit mit den Schwestern sehr erleichterte.

In mehreren Besprechungen stellte sich heraus, dass die Leprakranken medizinisch (zumindest, was die Lepra angeht) hinreichend mit Medikamenten versorgt sind. Durch die aufopferungsvolle Arbeit der „Sisters of Charity“ muss auch niemand verhungern; trotzdem sind die Lebensverhältnisse in vielerlei Hinsicht erbärmlich. Um sich die dortigen Probleme vorstellen zu können, im Folgenden ein paar Informationen zu Lepra :

 

Hintergrundinformationen zu Lepra

- Lepra ist i.d.R. und unter bestimmten Bedingungen ansteckend;

- Lepra ist eine Armutserkrankung; d.h. Unter- und Fehlernährung, schlechtes Immunsystem, beengte Wohnverhältnisse, mangelnde Hygiene erhöhen das Ansteckungsrisiko;

- Unbehandelt führt Lepra i.d.R. zu Verstümmelungen und Mobilitätsverlust und Erblindung;

- Seit über 20 J. kann Lepra medikamentös kostengünstig geheilt werden;

- In einigen Ländern (Indien, Brasilien, Myanmar) nimmt trotzdem die Häufigkeit der Neu-Erkrankungen zu;

- Neu-Erkrankte werden aus Angst vor Ansteckung fast immer aus ihrem Dorf und aus ihrer Familie ausgestoßen (auch Jugendliche; Frauen mit kleinen Kindern) und sind dann vollkommen auf sich gestellt, bis sie in einer Lepra-Kolonie Zuflucht finden.

Aufgrund der Stigmatisierung ist es für Lepra-Kranke kaum möglich, die Kolonie wieder zu verlassen.

 

Akute Probleme in Keng Tung

 

1. Enge Wohnverhältnisse

Durch den steten Zustrom an Neu-Erkrankten, die hohe Geburtenrate und die erschwerte Möglichkeit des Wegzuges nimmt die Bewohnerzahl der Kolonie rapide zu, was bei stagnierendem Wohnraum zu immer beengenderen Wohnverhältnissen führt. In einem Haus von ca. 60 qm leben i.d.R. 2 Familien mit jeweils 4 – 6 Kindern.

2. Heterogene Sozialstruktur 

Das Einzige, was die Menschen verbindet, ist die Lepra. Ansonsten kommen sie aus unterschiedlichen Völkern und Schichten und sprechen z.T. verschiedene Sprachen. Die Gemeinschaftsbildung ist dadurch sehr erschwert; die Kriminalitätsrate ist hoch.

3. Kaum Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten 

Aufgrund der Stigmatisierung und fehlender Verkehrsverbindungen ist es für die Menschen der Lepra-Kolonie nahezu unmöglich, Arbeit und Verdienst zu finden, obwohl sie geheilt und nicht mehr ansteckend sind. Die dadurch bleibende Abhängigkeit von der Hilfe Anderer führt zu großen psychischen und sozialen Problemen.

4. Ausgestoßensein/ fehlende Integration

Die fehlende Integration in wirtschaftlicher, wie sozialer Hinsicht und das fehlende gesellschaftliche Interesse daran, die Ausgestoßenen zu reintegrieren, werden schicksalsergeben hingenommen. Das Ausstoßen war früher medizinisch durchaus sinnvoll und hat in Europa zum Verschwinden der Lepra beigetragen, ist aber heute angesichts der medikamentösen Heilbarkeit nur noch durch Unkenntnis bedingte, schlechte und zu überwindende Tradition.

 

Konkrete Projekte

Unter Berücksichtigung dieser Problemlage musste ich meinen ursprünglichen Hilfe-Ansatz, der weitgehend auf Klein-Krediten (a la Grameen Bank) basierte, mit dem ich mich Jahre vorher intensiv beschäftigt und in Eritrea Erfahrungen gemacht hatte, fallen lassen. Die Schwestern konnten mir deutlich machen, dass hierfür vorerst die Vorraussetzungen i.S. einer halbwegs intakten Sozialstruktur und zumindest rudimentärer ökonomischer Erfahrungen fehlten. Stattdessen vereinbarten wir folgende Projekte :

1. Verbesserung der Wohnverhältnisse

Fertigstellen eines Kindergartens mit 3 Räumen, der bereits als Bauruine vorhanden war. Bisher mussten die ca. 50 kleinen Kinder in einem einzigen Raum „betreut“ werden. 

Kosten: ca. 500 .- Euro

2. Bau eines Hauses für eine größere Familie

Kosten: 500 .- Euro

 

3. Einkommen schaffende Projekte

 

Einrichtung einer kleinen Schneiderei

Es wurden 2 gebrauchte Nähmaschinen, zzgl. Stoffen und Schneiderei-Utensilien gekauft. Die Ausbildung an diesen Maschinen war von „world vision“ durchgeführt worden. In der kleinen Schneiderei wird Kleidung für den eigenen Bedarf hergestellt und darüber hinaus für den Verkauf produziert. Sollte sich dieses Projekt wie erhofft entwickeln, werden weitere Maschinen angeschafft. Fernziel ist eine kleine Schneiderei in Keng Tung, um die Integration zu fördern.

Kosten: ca. 200 .- Euro

 

Rollstuhl-Projekt

Innerhalb dieser Kolonie der Ausgestoßenen sind die Menschen, die Lepra im fortgeschrittenen Stadium hatten und deshalb nicht mehr gehen können und/oder blind sind, zusätzlich ausgegrenzt : sie werden nicht besucht und haben keine Möglichkeit am Dorfleben teilzunehmen. Um die Integration dieser Menschen ins Dorf zu fördern, wurde ein gebrauchter Rollstuhl gekauft, mit dessen Hilfe Jugendliche des Dorfes die behinderten Menschen – gegen Bezahlung aus einem eigens dafür angelegten Budgets – durchs Dorf fahren. Die Behinderten werden so ansatzweise integriert und sind „Kleinst-Arbeitgeber“ , was ihnen Bedeutung und Würde verleiht.

Kosten: ca. 120 .- Euro

 

Bäckerei-Projekt

Sollten die eingeleiteten Projekte gut laufen, so wird ein Bäckerei – Ofen gekauft werden. „Hope for life“ wird 3 bis 4 ehemals Lepra-Kranke in Mae Sai an diesen Öfen in Grundlagen des Bäcker-Handwerkes ausbilden. Ziel ist es, über Produktion und Verkauf der Backwaren in Keng Tung sowohl die Integration der Kolonie in die umliegende Gesellschaft zu fördern, als auch Arbeitsplätze und damit Einkommen und Würde zu schaffen.

Kosten: ca. 350 .- Euro

Alle Projekte – und damit die bestimmungsgemäße Verwendung der Gelder – werden durch regelmäßige Besuche von Mitarbeitern von Hope for Life und Terra Humana überwacht.

Ich habe die Kosten der jeweiligen Projekte erwähnt, um deutlich zu machen, dass mit wenig Geld i.S. von Hilfe zur Selbsthilfe relativ viel bewegt und angestoßen werden kann.

 

Ausblick und weitere Hilfsmöglichkeiten

Um den Menschen dieser Lepra-Kolonie über das Bisherige helfen zu können, sollten nach meiner Einschätzung vor der Einrichtung weiterer Projekte und Finanzhilfen an zwei Voraussetzungen gearbeitet werden :

 

Gemeinschaftsentwicklung (community development)

Hierzu sollten z.B. Versammlungen (am besten getrennt nach Frauen und Männern) einberufen werden, in denen die Dorf-Bewohner selbst Ideen und Projekte entwickeln. Auf diese Weise würde nicht nur sichergestellt, dass die Projekte auch die dringendsten Bedürfnisse der Bewohner aufgreifen und die Annahme und Umsetzung der Projekte würde erleichtert, sondern sie würden sich vermehrt als wirtschaftlich Handelnde erfahren und motiviert, ihr Schicksal gestaltend in die Hände zu nehmen. Darüber hinaus würde über die gemeinschaftliche Ausrichtung auf die Projektfindung und – entwicklung der Aufbau einer Sozialstruktur gefördert. Kooperation mit Behörden. Zur Zeit wird versucht, über die Leprosy Mission, das DAHW und andere in- und ausländische Organisationen in Erfahrung zu bringen, inwieweit eine Kooperation mit den burmesischen Behörden – die ich für sehr wünschenswert halte - möglich ist. Unterstützer Kreis.

Es ist natürlich wesentlich effektiver und macht mehr Spaß, wenn man solche Projekte in einer Gemeinschaft fortentwickelt und fördert. Ich bin deshalb sehr froh, dass sich hier am Bodensee bereits ein Kreis engagierter Menschen zu diesem Zweck zusammenzufinden beginnt.

Für mich selbst war die Erfahrung dieser zweiwöchigen Reise so beglückend, wie sie mir in meinem Traum erschienen war und ich möchte Thomas, Stefan und den Sisters of Charity für ihre Hilfe danken, ohne die diese Erfahrung für mich nicht möglich gewesen wäre.

Bermatingen im Januar 2007

Andreas Kahlo



Hier können Sie den Terra Humana Flyer runterladen